Ist dir schon einmal aufgefallen, wie viele Ratgeber, Experten und Coaches es gibt, die dir das „nein“-sagen beibringen wollen? Hast du es auch schon versucht? Kennst du das Gefühl, nicht rechtzeitig „nein“ gesagt zu haben und ärgerst dich dann darüber, dass du „nicht bei dir geblieben“ bist?
Genau hier möchte ich ansetzen und dir zeigen, dass ein „nein“ genau gar nichts bringt, wenn nicht ein sehr, sehr klares „ja“ dahintersteht.
Es gibt einen Spruch, der zeigt, was bei einem „nein“ zum Außen passiert: „Widerstand erzeugt Widerstand“.
Denn wenn wir ein Angebot ablehnen oder eine Bitte abschlagen, will normalerweise das Gegenüber einen Grund dafür. Das Schlimmste, was wir dann tun können, wir versuchen ihn prophylaktisch bereits zu liefern, obwohl das Gegenüber das gar nicht „bestellt“ hat. Wir versuchen uns dem Gegenüber zu erklären und hoffen auf das Verständnis des anderen, warum wir „nein“ sagen. Was dadurch zweifelsohne passiert: wir verstricken uns mit dem Gegenüber. Und das noch viel stärker als bei einem „ja“.
Du kennst das Gefühl? Passiert es dir dann auch immer wieder, dass du, bevor du lange darüber diskutierst, zu deinem Gegenüber „ja“ sagst und/oder es einfach machst?
Du ärgerst dich zwar ein wenig über dich, dich nicht ausreichend abgrenzen zu können, aber zumindest bleibt der Ärger im Endeffekt bei dir. Würdest du nämlich nicht in der Überlegung gefangen sein, „Nein“ sagen zu müssen, um dich abzugrenzen, sondern lediglich „ja“ zu dir selbst, so würden mit einem Mal die Verstrickungen wegfallen und auch der Ärger dir selbst gegenüber (wenn du überhaupt bereits so reflektiert und eigenverantwortlich bist, zu erkennen, dass es DEINE Verantwortung ist zuzusagen und nicht die des Gegenübers das Unmögliche von dir nicht zu verlangen).
Wie bereits erwähnt, es gibt gefühlte tausende Ratgeber, die dir beibringen wollen, dich abzugrenzen, klar nein zu sagen, deine Grenzen zu verteidigen etc. Fällt dir etwas auf? Alles hat mit Widerstand zu tun, mit Kampf, mit Aufstand. Und was wissen wir bereits? „Widerstand erzeugt Widerstand.“
Folgende Erkenntnis kann wichtig für dich sein: Wenn du ein Grenzenthema in deinem Leben hast, dann ist das nicht erst jetzt entstanden, weil der Chef übergriffig ist oder der Partner zu viel von dir verlangt, das Thema begleitet dich seit deiner Kindheit. Und zwar seit deiner frühesten! Überlege doch mal für dich, wo du in deiner Biografie das Grenzenthema bereits finden kannst. Du wirst fündig, da traue ich mich zu wetten. Und ja, als Kind ist es eben schwer bis unmöglich sich abzugrenzen – vor allem Erwachsenen gegenüber. Und was hast du als Kind gemacht? Du hast entweder aufgegeben und „ja“ gesagt oder versucht zu erklären, warum du das nicht willst.
Und genau diesem Kind, dir selbst, stehst du nun gegenüber, bzw. es steht dir im Weg, wenn es als Erwachsener darum geht, für sich selbst einzustehen.
„Nein“ ist ein kompletter Satz! Wie oft ertappst du dich, deinem Gegenüber erklären zu wollen, warum du etwas nicht magst? Warum eigentlich? Glaubst du wirklich, wenn dein Gegenüber von seiner Meinung überzeugt ist, dass er/sie davon ablassen wird, nur weil du jetzt erklärst, warum und weshalb du etwas nicht möchtest? Kann sein, aber ... hat er / sie dich eigentlich nach dem „Warum“ gefragt? Liegt es wirklich in deiner Verantwortung gleich prophylaktisch vorzubauen, indem du dich erklärst? Vielleicht braucht dein Gegenüber gar keine Erklärung und wenn du ganz ehrlich bist, dann ist es eine (wenn auch milde) Form der Manipulation, denn ich versuche dem Gegenüber in dem Moment meine (!) Meinung aufs Auge zu drücken. Ein „nein“ würde reichen. Will der / die andere wissen, warum, kann er / sie ja fragen.
Wenn ich nämlich wirklich glaube, es sei meine Pflicht dem Gegenüber zu erklären, warum ich etwas nicht will, dann darf ich mir die Frage stellen: „Bin ich noch bei mir im Innen oder bereits im Außen gelandet?“ – Die Antwort sollte klar sein.
Und könnte man dies bildlich darstellen, dann könnte man sehen, wie die Energie von dir zu deinem Gegenüber fließt. Wäre es nicht besser, du würdest dir deine bei dir behalten?
Wie geht das?
Indem du „ja“ sagst! Bedingungslos „ja“ und zwar zu dir selbst. Dies beinhaltet auch, den Respekt dem anderen gegenüber aufzubringen, dass er dich gar nicht verstehen MUSS und auch nicht verstehen DARF. Das Gegenüber hat ja schließlich eine andere Sichtweise. Es ist mir bewusst, dass ich das alles sehr vereinfacht darstelle und noch immer keine schnelle Lösung biete. Die „schnelle“ Lösung gibt es auch nicht. Sie ist ein Weg, den du einschlagen kannst, indem du dich mit dir und deiner Identität beschäftigst. Mit deinem Ich, mit deinem Sein. Wir alle haben verlernt auf uns selbst zu hören und uns selbst zu spüren. Dafür gibt es gute Gründe in der Vergangenheit. Diese kann man aufspüren, Mitgefühl für das kleine Kind, welches du damals warst, entwickeln und immer mehr lernen, bei dir zu sein und zu bleiben. Und das ist gar nicht egoistisch. Der Egoist braucht die Bühne, er braucht Menschen um ihn herum, die ihn bewundern und ihm zeigen, wie grandios er ist. Der Egoist ist nie alleine, er bedient sich anderer. Wenn du lernst bei dir zu bleiben und dich zu respektieren, so schaffst du dadurch schlussendlich die Möglichkeit deinem Gegenüber auf Augenhöhe und respektvoll zu begegnen.
Denn: es ist schön, wenn wir uns verstehen, es macht aber auch nichts, wenn wir es nicht tun.
Denn jede/r hat ein Recht auf die Einzgartigkeit seines /ihres Seins. Respekt für den anderen aufzubringen und auf Augenhöhe birgt nämlich vor allem eine Grundvoraussetzung: den Respekt vor dir selbst. Und den kannst du dir zollen, wenn du bedingungslos „ja“ zu dir sagst, auch auf die Gefahr hin, dass das Gegenüber dies als ein „nein“ deutet. Aber das ist dann eigentlich auch gar nicht dein Problem, oder?
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